PR-Sprech und der Neutral Point of View

In den Regeln der Wikipedia zum sogenannten Neutralen Standpunkt (Neutral Point of View – NPOV) wird darauf hingewiesen, dass „insbesondere die lediglich auf Außenwirkung bedachte Selbstdarstellung von Behörden, Institutionen, Parteien, Unternehmen, Vereinen, Personen etc. in der Wikipedia ausdrücklich unerwünscht“ ist.1

Denn das Ziel der Wikipedia ist „eine frei lizenzierte und hochwertige Enzyklopädie zu schaffen und damit lexikalisches Wissen zu verbreiten“.2 Die Wikipedia ist daher weder ein Branchenbuch, noch ein Ort sein Unternehmen ins richtige Licht zu rücken oder seine Produkte und Dienstleistungen umfangreich zu präsentieren. Da es sich hier um Online-Inhalte handelt, ist die Wikipedia in der Lage, Sachverhalte, Themen und auch Unternehmen deutlich ausführlicher zu behandeln, als dies in klassischen Lexika wie dem Brockhaus möglich wäre. Dennoch gilt: Die Texte über Unternehmen müssen kompromisslos neutral formuliert sein.

Die Wikipedia ist kein Ort für Marketing

Unternehmen stellen sich auf der eigenen Webseite gerne als Marktführer und innovativer Vorreiter mit hochklassigen Produkten dar, die ihren Kunden ein breit angelegtes Spektrum an nachhaltigen Dienstleistungen und Lösungen im Bereich XY bieten. Auf den Unternehmensseiten wird meist nicht an traumhaft schön klingenden Adjektiven gespart, um die Kunden von den einzigartigen, bis ins letzte Detail optimierten Angeboten zu überzeugen. Aus Marketingsicht erscheint dies sinnvoll. Nur in die Wikipedia gehören solche Adjektive nicht.

So manches Unternehmen lässt sich dennoch dazu verleiten, den Artikel über ihr Unternehmen schönen zu wollen und ihren eigenen Standpunkt durchzudrücken. Häufig nicht einmal mit böser Absicht. Wenn man jahrelang in der Unternehmenskommunikation gearbeitet hat, sind die entsprechenden Formulierungen quasi in Fleisch und Blut übergegangen und sich davon zu lösen, fällt den Verantwortlichen häufig schwer. Die entsprechenden Abstimmungsprozesse in Unternehmen tragen ihr Übriges zu den Überarbeitungsversuchen bei. Um als Unternehmen in der Wikipedia dennoch sinnvoll mitarbeiten zu können, ist es unerlässlich, von diesen Formulierungen Abstand zu nehmen.

Schreiben Sie wie ein neutraler Dritter

Formulieren Sie so, wie dies ein neutraler Dritter tun würde. Versuchen Sie dennoch zu schönen, setzen Sie sich nicht nur dem Vorwurf der Manipulation aus, sondern schaden damit der Reputation Ihres Unternehmens. Entsprechende Negativ-Beispiele finden regelmäßig Einzug in die Presseberichterstattung und werden damit zu einem ausgewachsenen PR-Gau. Schlimmer kann es nicht mehr kommen, könnte man denken. Doch. Für manche Versuche der Manipulation kam es bereits schlimmer und so hat das OLG München beispielsweise im Jahr 2012 ein entsprechendes Urteil gefällt.3 Auch wenn in diesem – besonders dreisten – Fall das Gericht lediglich eine Unterlassungserklärung und zunächst keine weiteren Strafen4 verhängt hat, wiegen das entsprechende Medienecho und der Pranger der Öffentlichkeit schwer. Von den Anwaltskosten ganz zu Schweigen.

Fazit

Wikipedia ist kein PR-Instrument und nicht dazu geeignet, Unternehmen in der Online-Enzyklopädie zu bewerben. Es geht darum, hochwertige lexikalische Einträge über Unternehmen oder Themen zu verfassen. Ein guter Unternehmensartikel sollte klar strukturiert sein und alle relevanten Informationen über das Unternehmen beinhalten – von der Geschichte, über die Unternehmensstruktur bis hin zu einer möglichen Kritik. Auch eine gute Bebilderung ist wichtig. Der Nutzer ist auf der Suche nach genau diesen Informationen. Darum informiert er sich bei Wikipedia. Wenn Sie sich dies immer wieder vor Augen führen und strikt und konsequent auf das Weglassen von schönenden Adjektiven sowie auf die Einhaltung der Transparenzkriterien achten, können Sie als Unternehmen dazu beitragen, dass Nutzer die Informationen finden, die sie suchen. Als Gedankenstütze könnten Sie sich vorstellen, dass Sie mit Ihren Änderungen auf die Redaktion des Brockhaus5 zugehen. Würden diese Ihre Änderungen wohl übernehmen, wenn der Brockhaus unendlich viel Platz bieten würde? Lesen Sie dazu auch den Artikel Die 7 Don'ts.

Sollten Sie sich in der Formulierung der Änderungen oder der adäquaten Vorgehensweise unsicher sein, sprechen Sie mich gerne jederzeit an.

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1 https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Neutraler_Standpunkt

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia

3 https://www.wbs-law.de/e-commerce/schleichwerbung-wikipedia-31719

4 Das OLG München hat jedoch eine „Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten“ ausgesprochen.

5 Der Druck und Vertrieb des Brockhaus wurde im Jahr 2014 eingestellt.